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Barth, J.M., 1747. Schreiben an einen guten Freund, darinne von einem vor wenig Wochen hieher gebrachten Rhinocerote oder Nashorn umst,ndlich Nachricht gegeben und zugleich untersucht wird: Ob dieses Thier der Hiob Cap XL v10 seqq beschriebene Behemoth. Regensburg, gedruckt und zu finden bey Zunkels Gebruedern, pp. 1-8

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Location: World
Subject: Text as original
Species: All Rhino Species


Original text on this topic:
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Mein Herr!
Auf Ihr Verlangen übersende hiemit eine mehrere Nachricht von dem Rhinocerote oder Nashorn, dessen Bild und kurtz beygefügte Beschreibung Sie vorhin schon erhalten. Ich habe es selbst als es vor einige Wochen hier angekommen, genau beobachtet. Es war noch ein Kalb weiblichen Geschlechts, doch schon sehr dick und starck, und nach dem Bericht seines Herrn, eines Holländers, beynahe 5000. Pfund schwer und nicht gar 6. Schuh hoch, 12. lang. Die davon verfertigte Kupfferstiche, am meisten aber die Betrachtung des Thiers selbst, zeigten einen grossen Unterschied von denen vorhin heraus-gekommenen Abbildungen. Es ist aber auch bey jenen neuesten Kupfferstichen zu erinnern, daß der Kopff unsers Nashorn hinten zu nicht dick genug vorgestellet, und die vorne am Rüssel herabgehende Spitze nur zum Vorschein komme, wenn das Thier nach Speise langet. Die Zähne hatte es noch nicht alle, die es aber hatte waren schon sehr groß und starck, und es fraß täglich 60. Pfund Heu ohne das viele Brod, so ihm gereichet wurde, davon es die grösten Stücke fast gleich verschluckte. Die Nasenlöcher konnte es weit ausdehnen. Auf der Nase stunde ein hinterwerts gebogenes dick- und strackes doch nicht gar langes Horn, vorne weiß-gelb, hinten aber dunckel, welches es öffters wetzte. Ausser diesem hatte es sonst keines, wiewohl unter denen Alten Pausanias und Martialis, und unter denen Neuern Scaliger, Schroeck, Bartholinus, Jacobaeus in Mus.Dan. Tachard, Kolb und andere zweyer gedencken, sie sind aber selbst unter sich nicht eins, ob das andere, welches kleiner seyn soll, auch auf der Nase, oder auf den obern Theil des Kopffs oder auf den nacken, oder gar auf den Rücken, oder einer Schulter zu finden, wovon ausser denen schon angezogenen Aldrovandus, Jonstonus und Cyprianus ad Franzii H.A. zu lesen. Uber das widersprechen Plinius, Solinus, Agatarcides, Diodorus, Aelianus, Strabo, Dam. de Goes, Jac. Bontius, Camerarius, Neuhof, Dapper, Bochartus und andere mehr, die zum Theil selbst Rhinoceroten gesehen, und nur eines Horn Meldung gethan. Doch wieder auf unser Kalb zu kommen, so waren seine Augen klein, die Ohren aber lang und nur wenige Härlein daran. Sonst hatte es am Kopff und Lein keine
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Haare, noch weiniger Schuppen, und war schwartz-braun von Farb, welche zwar das Fisch-Schmaltz, womit es der Wärter öffters einschmierte, ettwas verändert haben mochte, weil andere sie licht-braun, andere dunckel-grau beschreiben. Die Haut war wie feuchtes Pfund-Leder anzugreiffen aber noch dicker. Sie hieng über den Leib wie Decken und formirte gewisse Falten, hinter welchen sie so dünne, daß das Fleisch röthlich durchschiene. Sonderlich gieng eine solche Decke an den mittlern Theil des Leibes zu beyden Seiten bis über den Bauch hinunter. Auf diesen Decken sahe und fühlte man sehr ordentliche und runde Erhöhlungen, wie Beulen. An denen Füssen aber, die unten noch etwas dicker, als es in denen Kupfferstichen angezeiget, schiene die Haut fast Kreutz-weiß zerkerbet, und die Klauen waren zweymahl gespalten. Der Schwanz, welcher nicht gar Arms dick, fest, gerad, hatte auch Kerben über Quer und am Ende einen Büschel Haare. Ubrigens konnte man bey Betastung der Haut leicht glauben, was unterschiedliche Auctores versichern, daß Schwerdter, Indianische Hauer, Pfeile und Mußqueten Kugeln sie ausser denen Fugen nicht durchdringen. Der Augenschein lehrte auch, daß derselben Falten und übrige Gestalt gantz natürlich und von den weisen Schöpffer selbst künstlich geordnet, nicht aber, wie Rolb [Kolb] in der Beschreibung des Vorgebürgs der guten Hoffnung p.160 gemeinet, theils von der hefftigen und steten Bewegung der Musculn, (welche ich nicht wahrnehmen können) theils von den ungestümmen Lauffen durch Hecken und Aeste der Bäume, und Wältzen im Sand und am Stümpffen, womit es sich also zerkratze und solche Narben mache, herkommen. Welches so viel weniger bey unsern Kalb statt findet, da es so jung gefangen worden und aus der Wildnis gekommen. Ob es aber gleich zahm erzogen, so getraute sich doch sein Wärter in den Umfang, worinne es eingeschlossen war, nicht ehe hinein, bis es nach gegebenen guten Worten sich nieder und auf die Seite geleget, und die Füsse ausgestrecket hatte. Wie es ihn denn in Beyseyn unterschiedlicher Zuseher hier einmahl, da er zu ihm hineinstieg, gleich herausgeworffen. Er erzehlte mir auch, daß es einstens des Nachts sehr wild worden, und Feuer aus seinen Augen gegangen. Warum sein Herr unter das Bildnis setzen lassen, daß es einiger Meinung nach der Behemoth Hiob XL. v.10 seyn soll, und woher er dieses habe, verlange ich nicht zu untersuchen. Dapper in seiner Beschreibung von Africa p.21, Kolb l.c.p.162 haben es vielmehr vor den Leviathan gehalten. Wenn aber Kolb diese Meinung auch dem Ludolf in Commentario ad Hist. Aethiop. zuschreibet, irret er, denn dieser hat p. 159 mit Bocharto
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das Crocodil vor den Leviathan ausgegeben. Eben diese beyde gelehrte und berühmte Männer, denen Clericus, Scheuchzerus und andere neuere gefolget, behaupten, der Behemoth seye der Hippopotamus oder das Meer- und Wall-Roß, und hat sonderlich Bochartus die gemeine Meinung, nach der man den Elephanten davor angesehen, und welche Kirchmaier, Bayer und Loescher in besondern Dissertationen, item Schmid, Coccejus, Gussetius und noch vor kurzer Zeit herr Schultens in Comment. in Job beygepflichtet, und as Wort geredet, weitläuffig in seinem Hierozoicon widerleget. Und weil er bey dieser Gelegenheit des mitternächtigen Morss gedacht, und ihn mit dem Hippopotamo verglichen, mag solches Joh. Perri in seinen heutigen Zustand von Moscau und andere bey Laurentio Langio in der Beschreibung seiner Reise nach China veranlasset haben, daß sie dieses Thier, so sonst auch Mamanth, Manmuth heisset, vor den Behemoth ausgeben, welches Hasaeum in Bremen, weil er hiebey noch einige Schwierigkeiten gefunden, weiter auf die Gedancken gebracht, einen andern den Nahmen und Arth nach verwandten Fisch, nehmlich den Manathi oder die See-Kuh zum Behemoth zu machen, vid. ejus Sylloge Dissertationum Diss. 7 & 8. Doch wennich alles überlege, was angeführte Schriftsteller und andere mehr vorgebracht, so dünckt mich, man könne eben so gut und noch leichter glauben, daß in angeführten Ort Hiobs auf das nashorn gesehen worden. Zwar verstehen Aquila, die Vulgata, Hieronymus, Franzius, Ludolf. l.c. p.155. Baceius und Deusing de Unicornu und andere schon im vorhergehenden XXXIX. Cap. den 13. v. seqq. unter den Rem, oder wie es sonst übersetzet wird, den Einhorn das Rhinoceros, allein ausser dem, was Drusius und Schmidius ad h.l. wie auch Kirchmaier c.2 §2. Frenzel von Hennius de Unicornu eingewendet, so hat insonderheit erstgerühmter herr Schultens gar wohl erinnert, daß sich an diesem Ort ein wilder Ochs besser schicke, conf. etiam Gussetius C.L.H. Clericus in Qq. SS. de Unicornu & Boot Animadv. ad V. T. L. III c.1. Daß also im folgenden XL. Capitel dem Rhinoceros gar wohl seine Stelle gegeben werden kan, woselbst, als ich hoffe, alles ungezwungen übereinkommen wird. 1) heist es da Gott habe den Behemoth neben Hiob gemacht. Das soll nach Bocharti und anderer Meinung so viel bedeuten, als in einen benachbarten Land. Solches könnte von denen Gegenden Asiens, wo es Nashorn giebt, oder ehedem gegeben, wie auch von andern gegen Arabia übergelegenen Theilen Africae fast eben so leicht als von Egypten mit Bocharto verstanden werden. Alleine es ist unnöthig die Sache so weit zu suchen, nach herrn Schultens kurtz und guter Auslegung will Gott nicht mehr sagen, als daß ER den Behemoth sowohl als den Hiob erschaffen.
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2) Der Behemoth fresset Heu, oder Graß und Kräuter wie ein Ochs. Das Nashorn auch, da der Hippopotamus es nicht allein, sondern zugleich Fisch und ander Fleisch frißt. Vid. Prosp.Alp. IV.12. Und hieraus offenbaret sich Gottes Weißheit, daß ein so grosses und gefräßiges Thier nur geringes Futter brauchet. Des Behemoths Krafft ist in seinen Lenden. Des Nashorn Lenden sind so groß und starck, daß es damit die dicken Bäume, zwischen welche es durchrennet, wie Rieth beuget. Ja es müssen ihm grosse Bäume und Klippen, durch welche es mit schröckliche Getöße und Geprasset durchbricht, aus dem Weg weichen. Vid. Bontius ad Med.Indor. c.14. Neuhoff China p.349 und Kolb l.c. p.161. Wenn aber im Text Hiob gleich folget: Und sein Vermögen um Nabel seines Bauchs, so hat herr Schultens, weil das Hebräische Wort, das sonst im Singulari einen Nabel bedeutet, hier im Plurali stehet, es durch lineas cancellatas, Streiffen und Runtzeln des Bauchs übersetzet, welches sich denn auf die oben beschriebene Decken, so über des Nashorns Bauch hängen, und ihn zu beyden Seiten wie Schilde verwahren, viel besser als auf des Elephanten Bauch schicket. Es lassen sich aber auch (wie ein jeder aus Buxtorfi Lexico Talmud.Rabb. p.2533 und Hebr. p.m. 72 und 850 sehen kann), besagte Worte also geben: Und sein Vermögen ist in der Veste oder Härte des hervorragenden, das ist der Haut mit erhabenen Falten und Beulen, dergleichen wir oben an den Rhinoceros bemercket. 4 [=3?]) Des Behemods Schwanz strecket sich wie ein Cedern nach den 12 v. Das kan noch besser von dem Nashorn als den Elephanten und Hippopotamo gesagt werden. Denn daß der Rüssel des Elephanten soll der Schwanz heissen, ist unerweißlich und sehr gezwungen, und die solches mit Grotio, Gussetio und andern vorgeben, müssen noch in eben diesem 12.v von den vordersten auf den hindersten Theil des Leibes kommen, indem in folgenden Worten von Behemoth 5) gesagt wird: Die Spann-Adern seiner Hüffte (den so kan das hebräische Wort, wie Bochartus und herr Schultens gezeiget, gar recht übersetzet werden) gehen in einander wie Aeste, welches abermahl bey denen ungeheuren Hüfften des Rhinoceroten eintrifft, deren Fleisch, wie einige Schreiben, voll Sennen. Gleichwie auch 6) seine Knochen und Beine wegen der Stärcke nicht unbillig v.13 mit Ertz und Eisen verglichen werden. Wird 7) gesagt, daß der Behemoth der Anfang der Wege Gottes, so haben das geschickte Ausleger längst also übersetzet: Daß er das mächtigste und stärckste unter allen von Gott geschaffenen Thieren.
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Auch dieses wird vom Rhinoceros am füglichsten gerühmet, weil es den Elephanten selbst meistens überwindet, derselbe und andere wilde Thiere sich vor ihm entsetzlich förchten, weil es einen Stier, ja gar einen Elephanten mit seinem Kopff und Horn aufheben, eine Bären aber als einen Ballen in die Höhe werffen, und ein Pferd samt dem Reuter wie einen Floh hinstossen kann, wie Franzius, Deusing, Aldrovandus &c. anführen. 8) Der Stärcke des Behemoths werden seine Waffen gleich beygefüget, indem es nach dem Grund-Text ferner lautet: Der ihn gemacht hat, hat ihm sein Schwerdt (oder krummen Säbel harpen de qua pluribus Bochartus) angethan. Dieß Schwerd, da es sonderlich in der einzeln Zahl stehet, reimt sich nicht so gut auf die Zähnen des Elephanten oder Hippopotami, als auf das horn des Rhinoceroten, welches er an Steinen wetzet, und damit seinen Feind zu erlegen, das auch die Alten ausdrücklich ein Schwerd nennen, vid. Oppianus Cyneget. L.II v.553. Aelianus de Animal.Nat. L.XVII c.44. Plinius L.VII c.20. Es wird auch 9) die Ursache hinzugesetzet, warum dieses Thier also bewaffnet, weil es nehmlich seine Speise da findet, wo sie unter andern Thieren auch sein Feind der Elephant suchen muß, mit welchen es nach den Zeugniß Aeliani l.c. Artemidori bey den Strabone Lib. XVI p.m.775. Gesneri und anderer sonderlich um der Weide willen kämpffet. Denn die Berge, heist es vers 15. tragen ihm Kräuter, und daselbst spielen auch, oder belustigen sich alle Thiere des Feldes. Doch so wild das Nashorn, wenn es gereitzet wird, oder einen Feind vor sich hat, so wenig beleydiget es sonst anderes Vieh, das neben ihm spielet, wie man hier selbst an den Kalb, welches öffters einen Hund um sich gehabt, abnehmen konte, und Deusing l.c. p.9 aus etlichen Auctoribus bestärcket. Und obwohlen der Berge gedacht wird, welches zu steigen das nashorn nich geschickt scheinet, so hat doch Bochartus schon erinnert, daß auch kleine Hügel und Anhöhen hier können verstanden werden. 10) Von dem Behemoth wird gemeldet, daß er gerne im Schatten der Bäume und Gebüsche, im Rohr und Schlamm liege. Daß aber auch das Nashorn in so heissen Ländern Schatten und Abkühlung suche, ist leicht zu erachten, daß es sich recht sanfft mit ausgestreckten Beinen in die Ruhe hinlege, habe ich oben erzehlet, und der Wärter versicherte mich, daß es (wie auch Kolb und andere geschrieben) in Koth und Schlam sich fleißig welltze, damit ihm die dicke Haut nicht gar zu hart und beschwerlich werde, und deßwillen er auch, wie oben schon gedacht, sein kalb, da es nicht in der Freyheit, öffters strack einschmierte. 11) Eben derselbige und die Unterschrifft des Bildes bezeugen, daß dieß Ungeheuer im Wasser
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schwimme und tauche, wie eine Endte, und daß es täglich 14 Eymer Wasser trincke. Dahero man auch auf selbiges ziehen könnte die Worte des 18.v. im Hiob, so wie sie in unserer Teutschen Ubersetzung stehen: Siehe, er schlucket in sich den Strohm, und achtets nicht groß, läßt sich düncken, er wolle den Jordan mit seinem Mund ausschöpfen. Sollte aber jemanden mit Bocharto diese Hyperbole unanständig scheinen, so kan man genauer nach dem Grund-Text und der Natur der Sachen von dem Nashorn eben sowohl als vom Hippopotamo und noch besser als von dem Elephanten sagen, daß es sich vor keinen Fluß förchte, und sicher sey, wenn ihm auch der Schwall ins Gesicht, oder über den Kopff gehe. Wie ich denn auch vernommen, daß das Kalb, als es nach seiner Abreise von hier die Fähre mit seinen Wagen und Kasten nicht recht tragen wollte, über den Regen-Fluß schwimmen müssen, und sich zugleich mit Lust eine Weile darinne gebadet. Endlich 12) beschliesset Gott seine Rede vom Behemoth mit diesen Worten: Noch fähet man ihn mit seinen Augen, und durch Fallstricke durchbohret man ihm seine Nasen. Nun sind die Augen des Nashorns ziemlich klein und tieff im Kopff, daß es nicht weit um sich sehen kann, (welches auch Kolb und andere angemercket). Er ist auch von denen Alten gefangen worden, wie aus Aeliano, Dione, Plinio, Suetonio in Augusto, Strabone, und mehrern zu sehen, und wird noch heut zu Tag gefangen, wie die neuere Reise-Beschreibungen und Geschicht-Bücher zur Genüge bezeugen. Doch da dieses schwer und selten geschiehet, so können die angezogene Worte Gottes mit Herrn Schultens ironice und also verstanden werden: Ein Mann, wie du Hiob bist, der wird ihm frey unter die Augen treten, und ihn fahen, und Stricke durch die Nasen ziehen. Oder wem dieses nicht gefällt, der kan die Rede Frag-weise nehmen: Wird ihn auch, wenn ers mit seinen Augen ansiehet, jemand fahen, und ihm mit Stricken die Nase durchbohren? Dieses alles liesse sich noch viel weiter ausführen, weil es aber meine Zeit vorjetzo nicht leyden will, so bitte das wenige nicht ungeneigt aufzunehmen, und zu glauben, daß ich underändert
Mein Herr!
Regensburg, den 6. April 1747
Ihr ergebenster Diener &c.


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